«Wir hatten fortschrittliche Arbeitsbedingungen»

Für Sigi Frei (Jg. 1950) waren die Lehrjahre bei der Automontage Schinznach zwar keine Herrenjahre. Doch er schätzte den stets respektvollen Umgang mit den Lehrlingen.
Sigi Frei

Sigi Frei kann sich noch gut erinnern...

Herr Frei, Sie haben von 1966 bis 1970 die Lehre in der Automontage Schinznach absolviert. In welcher Abteilung hat es Ihnen am besten gefallen?

Sigi Frei: Meine Kollegen und ich gehörten zum zweiten Jahrgang, der in der Automontage die Lehre machen konnte. Mir persönlich hat es in der Spenglerei am besten gefallen, weil man dort besonders viel mit den Händen arbeiten konnte. Der Traum eines jeden Lehrlings war es aber, über Weihnachten und Neujahr der Schlosserei zugeteilt zu sein, weil der dortige Abteilungsleiter in dieser Zeit den Kollegen immer einen Beinschinken offerierte. Das war damals ein Highlight, das ich in den vier Jahren einmal erleben durfte.

Gab es auch noch andere prägende Erlebnisse?

Sehr eindrücklich war, dass ich, der in Hornussen wohnte, einen ganz speziellen Arbeitsweg hatte. Zuerst radelte ich mit dem Velo rund 3,5 Kilometer nach Bözen, wo ich dann mit der Sekretärin der Automontage in ihrem Käfer nach Schinznach mitfahren konnte. Das war eine sehr praktische und pragmatische Lösung einer Fahrgemeinschaft. Wenn ich aber mit dem Velo zu spät dran war, was zum Glück nicht häufig vorkam, musste ich den ganzen Weg nach Schinznach mit dem Velo zurücklegen. Und am Abend natürlich wieder zurück.

Gut erinnern kann ich mich auch noch, dass ich mir einmal beim Lichtbogenschweissen eine sogenannte Schweissblende einfing. Das ist vergleichbar mit Schneeblindheit und gibt einem ein Gefühl, wie wenn man Sand in den Augen hat. Eine Woche lang wurden meine Augen mit einer Salbe behandelt. Dabei sah ich nicht viel und musste immer eine Sonnenbrille tragen.

Wie haben Sie die Lehre insgesamt in Erinnerung?

Wir durften eine umfangreiche und gut strukturierte Lehre machen. Es war zwar streng, aber auch sehr lehrreich. Vor allem lernten wir, genau und fein zu arbeiten. Ich würde sagen, dass die Automontage Schinznach die besten Bedingungen im Kanton Aargau bot für die Ausbildung zum Karosseriespengler. Die Automontage war als Arbeitgeberin sehr sozial. Auch wenn Lehrjahre keine Herrenjahre sind, wurden wir stets respektvoll behandelt und waren privilegiert. Wir hatten schon sehr fortschrittliche Arbeitsbedingungen. Ich denke gern an die Lehrzeit zurück. Unter uns Lehrlingen herrschte stets eine tolle Stimmung. Mit einzelnen Kollegen von damals pflege ich bis heute Kontakt. Und seit einiger Zeit finden alle drei Jahre Treffen mit den damaligen Lehrlingen sämtlicher Jahrgänge statt.

An welchen Autos haben Sie gearbeitet?

Wir haben an den Modellen Plymouth Valiant, Dodge Dart und Plymouth Barracuda gearbeitet. Der Dart und der baugleiche Valiant waren einfach zu montieren. Der Barracuda hingegen verfügte über einige Raffinessen und war komplizierter konstruiert. Mein erstes eigenes Auto war dann aber ein VW Käfer, den ich als Occasion für 2300 Franken kaufte konnte.

Warum entschieden Sie sich damals für die Lehre bei der Automontage Schinznach?

Schon als kleiner Bub habe ich mich stark für Autos interessiert. Ich hatte auch noch die Möglichkeit gehabt, eine Elektrikerlehre zu machen, habe mich dann aber für Autospengler entschieden und diese Wahl nie bereut. Es war mein Lehrer in der Sekundarschule, der mich auf die Lehrstelle bei der Automontage Schinznach aufmerksam gemacht hatte.

Wie ging es für Sie nach dem Lehrabschluss weiter?

Im Anschluss an die Lehre arbeitete ich in der Spenglerei eines Prüfungsexperten. Er hatte mir gleich nach der Lehrabschlussprüfung die Stelle angeboten. Dann ging es in die Radfahrer-RS in Winterthur. Als ehemaliger Rennfahrer im Juniorenalter lag diese Truppe für mich auf der Hand. Nach der RS fand ich eine Anstellung in einer VW Garage in Frick, wo ich vor allem Occasionen, die Rostschäden hatten, reparierte. Nach rund anderthalb Jahren hat es mir dann «abgelöscht», weil ich immer nur mit den Rostlauben zu tun gehabt hatte.

War das auch gleich der Abschied von Ihrem erlernten Beruf?

Ja, denn ich konnte 1972 in Aarau die Polizeischule in Angriff nehmen. Der theoretische Teil dauerte acht Monate, anschliessend folgte Dienst auf verschiedenen Bezirksposten wie Baden oder dem damaligen Doppelposten Möhlin. Am Schluss kam ich in Baden zur Kriminalpolizei und habe mich die letzten acht Jahre bis zur Pensionierung 2014 mit Vermögensdelikten beschäftigt. Während meiner ganzen Zeit bei der Polizei konnte ich das bei der Automontage Gelernte brauchen und anwenden. Heute kümmere ich mich noch um meine Soay-Schafe, die von den Äusseren Hebriden stammen. Mit der Schafzucht habe ich schon 1986 angefangen.
 

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