«Es war eine gute Lebensschule»

Der Luzerner Hansjürg Schnider (Jg. 1949) erinnert sich gern an seine Lehrzeit in der Automontage Schinznach zurück. Sie hat ihn als Mensch geprägt und zu einem sorgfältigen Fachmann geformt.
Hansjörg Schnider

Hansjörg Schnider kann sich noch gut erinnern...

Herr Schnider, Sie haben die Lehre in der Automontage Schinznach gemacht. Wann war das?

Hansjürg Schnider: In den Jahren 1966 bis 1970 wurde ich in der Automontage zum Karosseriespengler ausgebildet. Unser Lehrlingsjahrgang wurde zunächst neun Monate lang theoretisch und praktisch in Othmarsingen geschult. Dabei traf man sich jeweils am Morgen in Schinznach und wurde mit Bussen nach Othmarsingen gefahren. Für das Mittagessen und am Abend wurden wir wieder abgeholt und nach Schinznach gebracht.

Wie ging es nach der Grundausbildung weiter?

Wir wurden in der ganzen Automontage verteilt und verblieben bei jeder Arbeitsstation einige Monate, bis wir weiterrotierten und schliesslich überall durch waren. In der Spenglerei zum Beispiel war ich sechs Monate. Dort hat es mir auch am besten gefallen, weil es um den Finish an den Fahrzeugen mit Polieren und Endkontrolle sowie um die Reparatur von schönen Autos ging. Auch in der Sattlerei war es spannend. Dort bauten wir den Dachhimmel und die Sitze auf. Alles in Handarbeit. Die amerikanischen Autos, welche die Automontage verliessen, waren ja rollende Fauteuils. Aber wir machten auch die Innenausstattung von VWs für die Post und die Armee. Das Schiebedach für den Dodge Dart und den Dodge Valiant bauten wir nur exklusiv auf Bestellung ein. Darauf waren wir besonders stolz.

Wie würden Sie die Grundzüge der Ausbildung beschreiben?

Ganz grundsätzlich lernten wir, sauber, genau und sorgfältig zu arbeiten. Das führte dazu, dass die in Schinznach montierten Autos qualitativ besser waren als diejenigen, die direkt importiert wurden. Auch mussten wir putzen und Ordnung halten, wobei jeder dem anderen geholfen hat. Gerade auf Sauberkeit wurde besonders viel Wert gelegt. In einem Tagebuch mussten wir festhalten, was wir jeweils gelernt und gearbeitet hatten. Diese Einträge wurden einmal pro Woche kontrolliert. Wenn etwas nicht stimmte oder unvollständig war, musste man etwas in die Gemeinschaftskasse einzahlen.

Sie stammen ja aus dem Kanton Luzern. Wie kam es, dass Sie in Schinznach in die Lehre gingen?

Ich war da wohl ein Spezialfall. Meine Familie wohnte damals in Horw. Als meine Eltern ein befreundetes Paar nach Schinznach begleiteten, das dort ein Auto kaufen wollte, sah meine Mutter, dass Karosseriespengler-Lehrlinge gesucht wurden. Sie machte mich darauf aufmerksam, ich meldete mich an und bekam die Lehrstelle. Unter der Woche wohnte ich während der Lehre in Zimmern – zuerst in Schinznach, dann in Habsburg und am Schluss in Dürrenäsch.

Mit welchen Erinnerungen verbinden Sie die Zeit in der Automontage?

Es war ein sehr familiärer Betrieb. Der damalige Direktor, Willy Huter, war zwar streng, aber fair, herzlich und hilfsbereit. Er war ein ganz toller Mann und wie ein Vater für uns. Ausserdem war die Ausbildung interessant sowie lehrreich und die Zeit in Schinznach eine gute Lebensschule.

Können Sie sich noch an Ihren Lehrlingslohn erinnern?

Aber sicher, ganz genau sogar. Im ersten Lehrjahr erhielten wir 35 Rappen pro Stunde bei einem Arbeitstag von zehn Stunden. Im zweiten Lehrjahr waren es 50 Rappen, im dritten 75 Rappen und im vierten 1 Franken pro Stunde. Wer gute Noten hatte, bekam den gleichen Lohn nochmals auf ein Sparkonto einbezahlt, das man aber erst nach Abschluss der Lehre auflösen konnte. Und im zweiten Lehrjahr bekamen wir eine Woche Skiferien im Hoch-Ybrig bezahlt. Ich kann mich auch noch an einen gemeinsamen Ausflug auf die Rigi und ins Verkehrshaus in Luzern erinnern.

Arbeiteten Sie nach der Lehre weiter in der Automontage?

Nein, das war nicht möglich. Direkt nach der Lehre arbeitete ich in einer Spenglerei in Pratteln, dann ging ich für ein paar Monate ins Welschland, ehe ich in Luzern einen Job fand. Anschliessend fuhr ich einige Zeit Lastwagen und war in Spanien, Portugal und Marokko unterwegs. Schliesslich, ab 1983, war ich im Versicherungsgeschäft tätig, wo ich 36 Jahre lang und bis zu meiner Pensionierung blieb.

Verbindet Sie heute noch etwas mit der AMAG?

Seit 2010 gibt es Treffen der ehemaligen Lehrlinge der Automontage Schinznach. Alle drei Jahre kommen wir von unserem Jahrgang seither zusammen. Davor hatte ich seit dem Abschluss der Lehre keinen mehr von ihnen gesehen. Leider sind nun schon ein paar Kollegen gestorben. Und ich fahre schon meinen neunten Audi. Insgesamt habe ich mehr als zwei Millionen Kilometer mit meinen Audis zurückgelegt.

 

Hans Hossle